ZÜGHUSPLATZ

 

01.10.2018 – Aktion 9

Wir sind wieder hier… und wie schon letztes Mal, begrüsst uns während des Aufbaus der nette Herr von der Strassenreinigung. Er hat uns schon während unserer Bauwochen am Werdmühleplatz täglich getroffen und ab und zu für einen kleinen Plausch angehalten. Heute ist ausserdem Jolanda mit dabei – sie wird den Tag zeichnerisch begleiten.

Das Wetter zeigt am Morgen noch schlechte Aussichten an: Regen ab 12h, genau zur Mittagszeit – aber wir sind für alles ausgerüstet. Alle 15 Minuten schauen wir auf den Regenradar – und immer haben wir Glück und der grosse Schauer legt sich Stück für Stück auf den Spätnachmittag. Wenn es trocken ist, haben die Leute mehr Lust rauszugehen, und wir wünschen uns auch für diesen Tag viele BesucherInnen. Mittlerweile hat sich die Aktion herumgesprochen und pünktlich taucht der erste Gast auf, der bei fast jeder Aktion dabei ist und nicht mehr davon abzubringen ist, sich nebenbei auch beim Abwasch, Einschenken und Aufräumen zu engagieren.

Heute gibt es überbackene Pasta, Salat mit gegrilltem Chicorée und Milchreis mit Apfelmus. Bei der Kälte haben wir auch frischen Chai-Tee aufgebrüht.

Der Züghusplatz ist trotz der Temperaturen gut belebt, doch scheint uns ein etwas geringerer Touristenandrang zu sein. Ob diese heute in der Therme sitzen, oder doch lieber im südlichen Tessin versuchen der Kälte zu entfliehen…? Eine Frau die vorbeigeht ist verunsichert, irgendwie fühlt sie sich von uns angezogen, aber diese Kälte… Zwischen verlockenden Düften und frierenden Gliedern entscheidet sie sich schliesslich für das Weitergehen in ein Wärme spendendes Café. Dann vielleicht ein anderes Mal, oder eben Pech gehabt? „Da ist es ja richtig schön, arm zu sein“ frohjauchzt eine Dame am Tisch, bei warmen Chai, gehüllt in eine Decke und angenehm anregender Musik. Sie lacht, trinkt einen Schluck und bewegt ihre Arme zum Takt der Musik. Und auch wenn wir alle heute blaue Hände kriegen, fühlen wir uns von innen heraus warmig-wohl. Wie jedesmal wollen einige Leute, die absitzen und bei uns verweilen, spenden, aber wir dürfen und wollen nichts annehmen. Schnell entstehen am Tisch jedoch Gespräche und ohne das wir es Recht mitbekommen, spendet der Eine, der mehr hat, dem Anderen der weniger hat – eine schöne und sehr direkte Geste.

„Ich dachte, die Gassenküchen seien abgeschafft… Ich habe nämlich eigentlich einen Ausweis, mit dem ich dorthin könnte, aber die wurden doch vor einiger Zeit geschlossen… wo gibt es denn noch Gassenküchen?“ Um ehrlich zu sein, gibt es diese direkten Ausgaben im Stadtraum mittlerweile wohl seltener, und die Gassenküchen als Solche sind im Heute in verschiedene Institutionen integriert. Wie hat sich dieses System über die letzten Jahrzehnte gewandelt, und welche Konsequenzen sind darauf für Betroffene entstanden? Diese Frage bleibt im Raum zurück.

„Noch mehr Chai gegen die Kälte bitte.“ Wir setzen noch eine dritte Kanne auf, und ob es am wärmenden Chai oder der guten Stimmung liegt, heute bleiben viele Gäste lange sitzen, bis zu den ersten Regentropfen pünktlich um 15h. „Ich spüre es, gleich wird es regnen“ behauptet zunächst einer der Gäste, er könne das fühlen. Und tatsächlich, einige Minuten später fallen die ersten Tropfen. Und wieder haben wir grosses Glück, denn wir müssen sowieso den Platz räumen und haben fleissige Helfer, sodass der Abbau in nur 15 Minuten geschafft ist.

Viele Menschen hält die Kälte heute davon ab, nach draussen zu gehen, doch die, die ihren Weg schaffen, bring sie näher zusammen, denn Nähe wärmt.

 

  

Zeichnung: Jolanda Epprecht
Zeichnung: Jolanda Epprecht
Zeichnung: Jolanda Epprecht

 

 

 

03.09.2018 – Aktion 1

Unseren ersten Halt machen wir am Züghusplatz – mittendrin im Zürcher Stadtgeschehen. Seitlich der Bahnhofstrasse gelegen treffen Touristen auf Geschäftsleute, Bummler und Zürcher im Transitraum. Mit neugierigen Blicken beobachtet man wie wir uns am Platz installieren. Schon auf dem Weg zum Platz, über das Trottoir die Bahnhofstrasse hinunter erregt die Küche Aufmerksamkeit. Einige schütteln nur den Kopf… In der Tat, die Küche ist gross und schwer, sodass das Fahren mit dem Anhänger kaum möglich ist. Also schieben wir vom Werdmühleplatz kommend die mobile Küche und unseren Tisch die Strasse hinunter.

Das Aufbauen geht schnell, in 20 Minuten haben wir eine schöne grosse Tafel hergerichtet.

…Aber da fehlt doch etwas – die grossen, noch toll duftenden Rosen vom Vortag aus dem kleinen Geschäft am Eck machen die Tafel gemütlich und schaffen ein tolles Ambiente. Jetzt schnell den Kuchen in den Ofen, sodass sich der Duft von Apfel und feiner Süsse über den Platz hinausbreitet.

Mit feinem Gemüse, Salat und Brot zaubern wir einen Brotsalat, dazu Reis, Zucchinigemüse und gratinierter Rotkohl. Pünktlich um 12h steht das Essen auf dem Tisch und die ersten neugierigen Touristen bleiben stehen. „Sowas habe ich noch nie gesehen. Und damit ziehen Sie jetzt durch Zürich? […] Gratis, hier? Auch für mich? Also ein bisschen möchte ich gern probieren…“

„Was für eine schöne Idee, das brauchen wir in Israel auch…“

Manche möchten sich nicht setzen, ihnen ist es unangenehm nichts zu zahlen. „Sie können heute Essen und morgen spenden, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben…“  Daraufhin verstummt das Gegenüber, verabschiedet sich und geht.

Jung sitzt heute neben alt, arm und reich, manche stumm für sich und andere vertiefen sich in ein Gespräch. „Warum ist das Essen umsonst, sollten Sie nicht von den reicheren mindestens eine Spende verlangen?“

Wir möchten allen die Chance geben, sich gleich zu fühlen, das haben wir heute schonmal geschafft.

Puh – geschafft. Das erste Mal steht die Küche.
Rotkrautauflauf aus dem mobilen Ofen.
Feines Brot für unseren Brotsalat
Linda Luv bei der Arbeit.
Die ersten Gäste am Tisch.
Gäste ins Gespräch vertieft…